Dr. Manfred Frei von Loft music initiiert die „All that Jazz @ Starnberg“ Serie

Am 30. Juni startet das „All that Jazz @ Starnberg“, mit Klaus Doldinger, eine Jazzreihe der besonderen Art.

 

„Was mein Hirn anbelangt, haben Sie recht, wenn Sie sagen: Der Alte wird immer jünger!“ Friedrich Gulda

 

Europäische Spitzenmusiker zeigen in einer Serie von Abendveranstaltungen das volle, zeitgenössische Spektrum dessen, was unter dem weitläufigen Begriff „Jazz“ verstanden wird.

Seestyle trifft Dr. Manfred Frei aus Gauting, Inhaber von LOFT music und  Veranstalter renommierter Festivals, wie des Münchner Klaviersommers, der Richard-Strauss-Tage in Garmisch-Partenkirchen und als Koproduzent von Konzerten bei den Salzburger Festspielen, oder den Münchner Opernfestspielen.

Schon bei der Vorrecherche wird deutlich, mit welchem Kaliber wir es zu tun haben. Manfred Frei hat Stars wie Miles Davis, Keith Jarret, Herbie Hancock, Chick Corea, Friedrich Gulda, Lang Lang, Kent Nagano und eine weitere, endlos scheinende Liste an Klassik- und Jazzprominenz produziert.

Dass dieser Mann etwas zu erzählen hat, scheint völlig klar zu sein. Und doch bin ich überrascht, dass ich in seiner Gautinger Wohnung zunächst mit Regalen voll feinster Literatur konfrontiert werde. Bis er mich empfängt nutze ich die Zeit zum stöbern: Eugen Drewermann – Die Strukturen des Bösen. Sämtliche Werke von Lion Feuchtwanger, Hermann Hesse, Thomas und Heinrich Mann, Bücher von Sigmund Freud, Erich Fromm, Max Frisch, Irving Stone, die großen Philosophen wie Kant und Schopenhauer, sämtliche Klassiker von Goethe, Büchner, Schiller etc. und schließlich entdecke ich auf einem kleinen Stapel das letzte Werk von Karl Theodor zu Guttenberg „Vorerst gescheitert“.

Manfred Frei erscheint. Vierundsiebzigjährig, aufrecht, bedächtig, mit klarem, direktem Blick und sanfter Freundlichkeit.

Wir amüsieren uns wie klein die Welt ist, als ich auf den Fotobildband von Roland Fischer deute, einen alten Bekannten  – heute ein weltberühmter Fotograf – der zum engsten Freundeskreis Manfred Frei`s zählt. An den Wänden entdecke ich Gemälde und Lithografien von Jazzlegende Miles Davis, neben hervorragenden van Gogh Repliken und einer zeitgenössischen Fotoarbeit von Roland Fischer. Wir tauschen uns über die Malerei Goya`s aus und diskutieren über den Wandel der Nachrichtenkultur, Kapitalismus, Suchmaschinenalgorithmen und die Funktionen sozialer Strukturen. Irgendwie scheint mir das Interview und vor allem, die dafür kalkulierte Zeit zu entgleiten – so what. Wann trifft man schon auf einen solchen Gesprächspartner?

Doch dieses „So what!“ ist Manfred Frei`s Stichwort, mir genauer zu erklären, was es mit Loft Music auf sich hat. In welcher Form er sich als Produzent versteht und wie er am eigenen Leib den Jazz und die Klassik, in der jeweiligen Zeit seines Schaffens erlebt hat.

Denn unter dem Titel „So What?!“ produzierte Manfred Frei ein Porträt des legendären, österreichischen Pianisten Friedrich Gulda. Ein gefeierter Klassikstar, der sich mehr und mehr als Enfant terrible entpuppte, die Grenzen des Establishments aufsprengte, splitterfasernackt auf der Bühne Ausdrucksmusik zelebrierte, um schließlich vor lauter Freude an der Provokation, seinen eigenen Tod vorzutäuschen.

Wer ihn Auszugsweise reden hörte, hätte ihn für einen geistesgestörtes Großmaul gehalten. Wer die orgiastischen Klangverzerrungen noch auf der Bühne erlebte, hielte ihn für einen Aufschneider, einen Nichtskönner.  

Dann setzte sich Friedrich Gulda an den Flügel und spielte Schuberts „Wanderer“, dass einem vor Rührung die Tränen aufstiegen.

Als ich diese Produktion sah, musste ich unweigerlich an Thomas Bernhard denken. Auch Österreicher, auch Provokateur vom Feinsten, ebenfalls Intellektueller und Kind jener Zeit.

Es sind die 80er und 90er Jahre, in der Manfred Frei diese steile Karriere als Produzent begann und verfolgte. Es ist eine Zeit, in der in der Musik etwas besonderes passierte. Musiker, die auf einem hervorragenden, klassischen Niveau ihre Instrumente beherrschten, entdeckten Ihre politische Verantwortung. Sie verbanden Ihre Musik mit einem intellektuellen Netzwerk aus Literatur und Psychologie. Sie stellten die bestehenden, gesellschaftlichen Strukturen in Frage. Die Musiker dienten nicht mehr alleine dem Amusement der politischen Klasse eines Franz Joseph Strauss.  Und Manfred Frei hatte genau das erkannt. Er veranstaltete Festivals, in denen indische Volksmusik gleichrangig neben Freejazz und klassischen Stücken aufgeführt wurde. Das war Anarchie im Kopf. Denn im Gegensatz z.B. zur parallelen Punkbewegung waren es Musiker, die aus den erzkonservativen, klassischen Bereichen selbst hervorgegangen waren. Diese Leute verfügten über ein unglaubliches, musikalisches Können und Verständnis.  Und in Manfred Freis Vorstellung, ist das, neben der Fähigkeit der Improvisation und der intellektuellen Freiheit, die Basis – oder Besser: der große gemeinsame Nenner, seiner Arbeit als Produzent. Man möchte ihn als einen konstruktiven Anarchisten bezeichnen – ganz im Gegensatz zur damaligen parallel Anarchowelt: der „Null Bock und Mach kaputt was Dich kaputt macht“ Einstellung.

Dabei weiß er auch zu berichten, dass sein Ansinnen in der damaligen, politischen Kulturlandschaft auf teilweise Begeisterung stieß. Im Kulturreferat traf er z.B. auf Unterstützer wie Dr. Jürgen Kolbe, der bereit war, Risiken einzugehen und für Kunst und Kultur brannte.

Für die heutigen „Macher“ in den Kulturausschüssen hat Manfred Frei nur ein müdes Lächeln übrig. 

Lauwarme Aufgüsse, der immer gleichen, großen und bekannten Stücke, gepaart mit den großen Sponsoren aus der Autoindustrie. Bloss kein Risiko eingehen. Da werden Millionen ausgegeben, um zum tausendsten mal „La Traviata“  zu geben. Die Kulturlandschaft ist zu einem Bürokratiesystem der großen Wirtschaftsunternehmen geworden.

Aber was treibt den Vierundsiebzigjährigen heute an? Wie kommt er dazu, ausgerechnet in Starnberg eine Jazzreihe zu initiieren?

Es ist die Möglichkeit, die bunte Welt des heutigen Jazz zu zeigen. In einer Stadt, die bereit ist, neue Wege mitzugehen. „Mit 74 weißt Du, dass die Zeit endlich ist“, sagt Manfred Frei. „Es ist aber auch eine Zeit, in der man die Dinge liberaler, nicht mehr so verbissen sieht. Man ist – beinahe würde ich sagen: milde geworden.“

Und so startet die „All that Jazz @ Starnberg“ Reihe am 30. Juni mit Klaus Doldinger. Es folgen Abende mit Barbara Dennerlein (25. Juli), Pete York (16. Oktober) und um die musikalische Dimension der Reihe zu verdeutlichen, The Gospel People aus New York (10. Dezember).

Für das kommende Jahr denkt Frei an Größen wie Adam Baldych, Lionel Loueke, Hildegard lernt fliegen (eine Schweizer Gruppe), Georg Ringsgwandl, Till Brönner, Michael Wollny u.a. Ein echtes Kulturhighlight am Starnberger See.

χ  Tobias Vetter

www.all-that-jazz-starnberg.de