Schauspieler Michael Brandner – heiter bis tödlich

 

Vor kurzem hat er in Berlin und Rye (England)  mit George Clooney gedreht, jetzt sitzt er auf der Terrasse des „Marina“-Restaurants Bernried und zerteilt einen Fisch: „Einfach ein netter Kerl, das war ein ganz entspanntes Arbeiten“, weiß Schauspieler Michael Brandner zwischen zwei Bissen zu berichten.

Spricht man mit dem 61-jährigen Brandner über Film und Fernsehen, landet man ziemlich schnell bei den Existenzbedingungen, die sein Beruf heutzutage vorfindet – einem Leben zwischen „großem Kino“ und manchmal arg kleinem Budget, zwischen gelungenen Formaten und leider auch immer wieder haarsträubend schlechten Arbeitsbedingungen. Brandner ist nicht nur vielbeschäftigt, sondern auch noch Gründer und 1.Vorsitzender des Bundesverbandes der Film- und Fernsehschauspieler (BFFS) und außerdem noch Vorsitzender der „Deutschen Akademie für Fernsehen“ mit Sitz in München und Köln: Findet der Mann eigentlich noch Zeit, sich während der Arbeit über die Situation seiner Branche aufzuregen? „Es ist total normal, dass viele einen Zweitjob haben und nicht von dem leben können, was sie wirklich machen wollen“, sagt der gebürtige Augsburger, der in NRW sozialisiert wurde.

Während viele unterbeschäftigte US-Kollegen in Los Angeles geradezu sprichwörtlich meist als Kellner arbeiten, besteht der Broterwerb für einheimische Schauspieler häufig aus Synchronsprechen, literarischen Abenden oder dem Tingeln über die Provinzbühnen von Kurstädten. Michael Brandner ist davon glücklicherweise verschont, weil gut ausgelastet, und sagt: „Ich arbeite gerne fürs Fernsehen.“ Gleichwohl habe er neulich überlegt, mal wieder „was Kleines am Theater zu machen“, weil ein Freund gerade an der Wiener „Burg“ eine Inszenierung plant.Wer Wikipedia konsultiert, erfährt über Brandner zunächst, dass zu seinen häufigsten Arbeiten „extreme, zum Teil überzeichnete Charaktere in Verbindung mit tragischen oder komödiantischen Geschichten“ zählen – was im Grunde gar nichts über ihn aussagt, denn er kann auch völlig zurück genommene Typen mit Leben erfüllen. In der ARD-Vorabendserie „Hubert und Staller“ spielt er gerade den Leiter einer Polizeiinspektion, Polizeirat Reimund Girwidz. Die Drehbuchschreiber haben seine Rolle derart standorttreu angelegt, dass Brandner dabei so gut wie nie aus seinem Büro heraus kommt. Dennoch gelingt es dem „Chef“ mit minimalen Mitteln, als einziger nicht bairisch sprechender Akteur eine Art preußischen  Kontrapunkt zu seinen ländlich-bajuwarischen „Untergebenen“ Christian Tramitz („Hubsi“ bzw. Polizeiobermeister Franz Hubert) und Helmfried von Lüttichau („Hansi“ bzw. POM Johannes Staller) zu setzen: „Die beiden kennen sich schon vom Gymnasium und mussten nur da weiter machen, wo sie damals aufgehört haben“, erklärt Brandner die recht geglückte personelle Besetzung der Serie, die u.a. von der Starnbergerin Carin C. Tietze, von Karin Thaler, dem Kabarettisten Hannes Ringlstetter und, zeitweilig, auch von Monika Gruber und Sigi Zimmerschied bereichert wird.

„Heiter bis tödlich“ ist der nach Brandners Geschmack wenig signifikante Oberbegriff für das regional tümelnde Krimi-Format des ARD-Senderverbunds: Nach jeder Staffel wird entschieden, wie viele Folgen weiter gedreht werden – auf insgesamt 48  und einen 90 minütigen Spielfilm hat man es mittlerweile gebracht. Noch mal ein Schwenk zu Clooney und den Amerikanern: „Die sind halt bis heute fasziniert von dieser deutschen Maschinerie“, sagt Brandner, der in der gerade in 70 Tagen abgedrehten Weltkrieg II-Geschichte einen Deutschen mit starkem Akzent zu spielen hatte. „Die Amerikaner werden an dieser Kriegsthematik auch noch eine Weile ausreichend Stoff finden.“ Diesmal ging es um eine Special Squad, die gegründet wurde, um die Kunstwerke Europas vor dem Zugriff der auf dem Rückzug befindlichen Nazis zu schützen bzw. zurück zu holen.

„Viele Museen wären heute leer ohne die, das hat man nie wirklich gewürdigt“, sagt Brandner mit Respekt.

Konspirative Rollen hat er natürlich auch schon ausgefüllt, etwa bei „Ossis Eleven“, einer deutschen Low-Budget-Produktion im Sog des amerikanischen „Ocean´s Eleven“-Erfolges mit Clooney – leider blieb die charmante Komödie (2008) damals weitgehend unbeachtet.

Was läuft da falsch zwischen künstlerischem Anspruch und Vermarktung im deutschen Film und TV? Brandner zitiert „Die Gentlemen bitten zur Kasse“ aus den sechziger Jahren, die waren als Straßenfeger konkurrenzlos, aber heutzutage muss man schon äußerst kreativ sein, um etwas aus der Masse des Überangebots hervorzuheben. Es gibt jedes Jahr zig gute Produktionen, für die es ein absolutes Vergnügen ist, zu arbeiten.  Und manchmal gelingt damit auch Herausragendes, wie z.B. der Tatort ´Schneetreiben` – für den Michael Brandner zum Bayrischen Fernsehpreis vorgeschlagen war, oder auch „Rosis Baby“ sowie „Silikon Walley“ aus der Reihe Polizeiruf 110 mit Edgar Selge und Michaela May. Wenn man  allerdings als Protagonist einer Serie ein Buch bekommt, wo man hinten und vorne aneckt, dann wird’s natürlich schwierig“, weiß er aus Erfahrung, „dann muss man zusehen, wie man da heil wieder raus kommt.“ Verbesserungsvorschläge dürfe man als Schauspieler schon mal machen, aber es gebe auch Regisseure, die sich so etwas grundsätzlich verbitten: „Da gibt es dann endlose Diskussionen am Set.“ Spannungen können aber durchaus kreativ sein, und mit wirklich „verrückten“ Leuten zu arbeiten, das kommt leider viel zu selten vor.

Manchmal kämen aber gute Sachen dabei heraus: „Achternbusch find ich prima!“, findet Brandner, und setzt noch eins drauf: „Wenn man den mal einen Tatort machen ließe, das wäre schon mal interessant.“ Herbert Achternbusch würde vermutlich selber die Leiche spielen wollen. Riskiert man hierzulande einfach zu wenig, gibt es zu viele Bedenkenträger und Quoten-Pupser in Deutschland? „Inzwischen haben wir 20 verschiedene Tatort-Kommissare, da kann auch mal einer durch rauschen“, sagt der „Kollege Polizeirat“ lachend. Was die Budgets fürs „große Kino“ angeht, so könne er sich eine Art staatlich und aus der Wirtschaft gestützter „Kultur-Bank“ vorstellen, die das nötige Kapital zusammenholt und das Risiko abfedert: Wenn allerdings Regisseure wie Wolfgang Petersen, Tom Tykwer oder Roland Emmerich die wirklich üppigen Budgets nur in Hollywood vorfinden und sich ein Schauspieler wie der zweifache „Oscar“-Christoph Waltz dort wohlfühlt, dann „sollen die solche Chancen natürlich nutzen“, findet Brandner und sagt das offenbar vollkommen neidlos.

Warum tun sich nicht einfach hier ein paar kreative Außenseiter zusammen und machen gute Filme?„Mit zwei, drei Leuten geht so was immer, aber wenn´s mehr werden? Fangen Sie mal damit an, ein Orchester zusammen zu kriegen – dann haben Sie schon ein Problem!“ dämpft der Praktiker allzu hohe Erwartungen.

Dass sich Leute anderthalb Jahre (oder länger) für ein einziges Projekt frei halten, sei unrealistisch. Regisseur, Schauspieler, Kameramann, die Assistenten, die müssten dann auf den Punkt da sein. Unter 30 Leuten kommt man da nicht vom Platz – „ein Riesenaufwand“, so Brandner. Manchmal brechen auch Finanzierungen aus den verschiedensten Gründen weg, trotz Vorverträgen. „Oder es wird etwas komplett vom Tisch gewedelt, weil andere Entscheider ins Spiel gekommen sind, all dies kann passieren. „Man redet lange, investiert und kriegt zwei Wochen vor Drehbeginn seinen Vertrag, und die Zahlungsmoral ist zum Teil leider auch erbärmlich. Gezahlt wird zwar immer, aber wann“, weiß der erfahrene, einst von Peter Zadek entdeckte Schauspieler (Ausbildung am Stadttheater Dortmund und am Schauspielhaus Bochum) zu berichten:

„Man sollte mal Frau Merkel dringlichst bitten, ein Gesetz einzubringen, dass man die Zinsen nach einer Woche auf das Dispo-Niveau hebt, damit es richtig weh tut und die Leute endlich wieder pünktlich zahlen“, empfiehlt er, ganz kämpferischer Vertreter seines Berufsstandes. 

Die schlechte Zahlungsmoral im Lande habe viele mittelständische Betriebe gekillt, und den freien Produzenten gehe es da kaum anders, sagt Brandner, der ursprünglich gelernter Schreiner und Innenarchitekt ist. „Erbärmlich“ nennt er das und ergänzt: „Mit der Moral hat man offenbar sowieso Probleme: Wenn man Leuten wie Uli Hoeneß – bei all seinen Verdiensten – ihr Verhalten durchgehen lässt, darf man sich nicht wundern – die haben nämlich Vorbildfunktion beim Volk.“ Dass gerade jemand wie Hoeneß, der bei jeder Gelegenheit auf Leute drauf geschlagen habe, „dabei erwischt wird, wie er die Hände im Mus-Topf hat, ist richtig eklig“, echauffiert sich Brandner. Klare Worte, auch als Familienvater: „Wie soll ich meinen Kindern beibringen, was Gerechtigkeit ist, wenn man solche Klein-Verbrecher laufen lässt?“ Ob er sich vorstellen kann, eines Tages sogar diesen in jeder Hinsicht massigen Hoeneß in einem TV-Film zu verkörpern? „Man kann auch dick spielen!“, schmunzelt Brandner, nachdem er seinen Fisch beendet hat, „man muss nicht so aussehen.“

∗ Thomas Lochte