Lucian Freud Porträt – Knowing Art

eingetragen in: Kultur, Künstler Porträts, N°18 | 0

 

Lucian Freud der Meistermaler, Kunstportät des britischen Ausnahmekünstlers

„The longer you look at an object, the more abstract it becomes, and, ironically, the more real.‘‘

Lucian Freud

Lucian Freud (1922 – 2011), Enkel von Sigmund Freud, ist einer der wichtigsten und einflussreichsten Künstler seiner Generation. Er gilt als „Meister des gemalten Fleisches“ und ist als facettenreiche Persönlichkeit in Erinnerung geblieben. Von der Queen geadelt, mit Preisen überhäuft (u.a. Turner Preisträger) und mit Einzelausstellungen geehrt (z.B. Museum of Modern Art NY, Centre Pompidou Paris).

 

Es war ein schwüler Spätsommernachmittag, als mein Kunstprofessor Sean Scully, eine seiner zahlreichen Anekdoten zum Besten gab. Es ging um Zielstrebigkeit, Fokusiertheit, Leidenschaft, Radikalität und Priorisierung – oder um die Dinge, die einer künstlerischen Arbeit Qualität verleihen. Sein Bekannter Lucian Freud schien dafür ein ideales Beispiel zu geben. Freud hatte nach längerem Werben, eine attraktive Studentin zu einem Date überreden können. Und nachdem die ersten Stunden verheißungsvoll verlaufen waren, entschlossen sie sich, ein Hotel aufzusuchen. So kam es, dass Freud im Herzen Londons, an diesem, verregneten Abend, mit seinem nagelneuen Aston Martin und der schönen Brünetten auf dem Beifahrersitz, bei überhöhter Geschwindigkeit ins Schlingern geriet. Der Aston tuschierte ein etgegenkommendes Fahrzeug und beide Autos blieben fahruntüchtig liegen.

Aber Freud hatte ein klares Ziel vor Augen. Er sprang aus dem Aston, öffnete die Beifahrertür und verschwand – seine Visitenkarte hinterlassend – zu Fuß und Hand in Hand, mit der Studentin Richtung „The Savoy“.

Was diese Geschichte mit Malerei zu tun hat?

Wenn wir gesellschaftliche Konventionen hinter uns lassen (z.B. nach einem Unfall am Ort des Geschehens auf die Polizei zu warten), wenn wir erkennen, das Materielles nur Fetisch ist (z.B. auch ein Aston Martin ist nur aus Blech und ersetzbar) und uns unserem „Sein“ hingeben, dem Impuls, Instinkt, der Lebendigkeit; dann erreichen wir eine Qualität. Es geht in Freud`s Malerei um diese Art der Qualität. Es ist ein kompromissloser Weg der Beobachtung und Fokussierung. Alles was auf diesem Weg ablenken könnte, wird links und rechts bei Seite gelegt. Freud sucht die Substanz der Dinge. Am Ende dieser radikalen Beobachtung passiert das Paradoxe. Wer alle Vorstellungen von etwas ablegt, wird den Punkt erreichen, an dem der wahre, innere Kern zum Vorschein kommt. Das „Sein“, die Seele, die Bestimmung. Unverfälscht, pur, unprätentiös, uneitel und klar.

Das ist einer der Gründe, warum Freud immer wieder Tiere porträtierte. Er liebte Hunde und Pferde, die immer unmittelbar waren. Für Freud wahren Menschen nichts anderes, als „herausgeputzte Tiere“. Aber wenn er sie stundenlang porträtierte, beobachtete, malte (wer für Freud Model saß mußte Geduld mitbringen – um die 150 Stunden dauerten die Summe der Sitzungen, bei seinen späten Porträts), konnte er ihre Eitelkeiten, ihre Konventionen und Vorstellungen abblättern lassen. Er reduzierte die Porträtierten auf das, was sie waren: Fleisch. Junges oder verwelktes, aber immer schonungsloses Fleisch. Gleich allen Lebewesen. Doch in dieser Auflösung fand Freud immer den Moment der Erlösung, die Intimität der Persönlichkeit des Porträtierten und schließlich zu sich selbst. Denn wenn es in Freud`s Leben und Malerei um etwas ging, dann auch immer um sein eigenes Ego. Um sich selbst und den Raum, der ihn umgibt.

Abseits dessen ist Freud ein begnadeter Handwerker, der das Metier der Malerei meisterhaft beherrscht.

χ Tobias Vetter

 

 

Lucian Freud

zu sehen im  Museum für 

Gegenwartskunst Siegen

 

zur Ausstellung erscheint der Katalog

„Lucian Freud und das Tier“

Snoeck Verlag 24,80 €