Und… – Ein Essay von Wolfgang Bernhard

eingetragen in: Menschen, N°4 | 0

Eines Tages erblickt man das Licht der Welt… Ohnmächtig erwacht man im Nichts, gezwungen eine Welt zu erschaffen. Mehr als die Milch, braucht man ein Konzept.
Und einmal, auf einem der tausend Wege, ergibt sich der Rest. Die Angst ist unser Herr und die Zeit der Gott. Kein Wunder die Sucht nach Liebe….
Während ich noch die Gürtel auf Augenhöhe hatte und mir einen Weg durch den Wald der furzenden Beine bahnte, überfiel mich schon die Ahnung, neugierig dem, sich wiederholenden Schauspiel lauschend, dass fressen, scheißen, Kinder machen und sterben mir nicht genügen würde. Klang nach einem Spiel mit gezinkten Karten.
Mit siebzehn hatte ich dann die, an mich gestellten Ansprüche, als unangemessen abgeschüttelt.
Wie der Narr der Tarotkarte ging ich ins Abendrot, ohne einen Groschen in der Tasche, siehe, die Vögel, sie säen nicht und sie ernten nicht und der himmlische Vater ernährt sie doch. Gezwungenermaßen und konsequenterweise wollte ich dann versuchen, meinen Stamm zu befreien, denn wer kann blühen, solange auch nur einer unserer Brüder verdorrt (und uns mit seinen Dornen ausblutet und erstickt), bis mir meine politische Impotenz autoritätsvoll klar gemacht wurde.
Salonrevoluzzer war nichts für mich, welche Verschwendung nur in Theorien zu leben.
Nur das schlechte Karma und die offensichtliche Selbstüberschätzung mit ihrem historischen Widerspruch, das Paradies erkämpfen zu wollen, hielten mich vom Terroristendasein ab. Blieb nur noch die Hoffnung, das Weite zu suchen, denn die Hoffnung ist das Letzte, das da stirbt. Und da man nichts zu verlieren oder zu gewinnen hat, kann man dem Leben zuliebe nur in die Tiefe gehen. Nieder mit der etablierten Physik, Quantenmechanik für alle.Wer keine Papiere hat, macht sich selber welche, l`etat, c`est moi… 25 Jahre illegal? 15 clandestino….im Ghetto macht`s keinen Unterschied.
Die Kunst vom Glauben zu leben, ohne zu wissen, glauben…. an was?
So lernt man, dass im tiefsten Schlamm die größten Perlen wachsen, falls man nicht an ihm erstickt, aber auch, dass es einem, selbst wenn man der Empathie zuliebe, seine unfreiwilligen Privilegien rauskotzt, noch lange nicht vergönnt ist, von dem erfrischend zweifellosen Lebenszweck der Schlammbewohner, zweifellos erfüllt zu werden.
Akrobaten der Seele, Partikel oder Welle….
Wo ist wohl die Sollbruchstelle deines Verstandes? Was war wohl die Frucht vom Baum der Erkenntnis?
Alle Bewusstheit ist Illusion, die Zeit schenkt uns nur Paradoxien, in Fleisch und Blut und Tränen gepackt. Keine Untat und kein Opfer groß genug, kein Abgrund zu tief, kein Raum zu leer, als dass man ihn nicht erfühlen, sodann verstehen oder auf einmal sogar gezwungen sein könnte, ihn leben zu müssen.
Balken und Splitter.
Brasilien, 13°01´25.12“ S / 38° 42´01.27“ W
Imperium des blinden Glaubens und der Angst, der Boden getränkt mit dem kolonialem Resultat der exzessivsten menschlichen Ambitionen, Spermien und Blut, El Dorado der Paradoxien – ein Tisch im Nirgendwo, Auf der einen Seite Siddharta, der Wahrheitsliebende, ungläubig, dass das Nirwana, das Auslöschen und Vergehen, die einzige Belohnung für alle Erkenntnis und gebrachten Opfer sein soll. Wie war das Herz sich doch sicher gewesen, das der allseits beliebte und gesuchte eigene Vorteil, ja selbst die Vernunft mit ihrem Selbsterhaltungstrieb, dich nur daran hindert die Wahrheit zu sehen, und wie befreiend sie zu opfern,
wie zu pokern, der Einsatz – dein Leben, die verdeckte Karte – der Traum von einer Erkenntnis, die alles erklärt, alles wieder wettmachen wird. Auf der anderen Seite, Mr. Taschenuhr, der Topmanager, weltweit Personaldirektor der VW Ahh Gehh. Klug und vorsichtig, immer auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, sprich Vorteil bedacht. Ein echter Gewinner. Mit nicht weniger Hingabe gelebt, unter anderen Opfern gelitten, weniger besorgt um das Warum als das Wie, oder besser Wieviel. Der Einsatz- sein Leben, die verdeckte Karte – die Leere, die Mutter aller erfüllten Wünsche.
Der Bluff… Nun endlich ist er gesprungen – vom Tisch….. Am Tisch – lautlos geteiltes Wissen um die flüchtige Liebe und den sicheren Tod, dass sie genauso lautlos gemeinsam im Zuckerrohrschnaps letzter Kategorie ertränken und sie beten, “gib uns unser tägliche Illusion heute, auf dass wir leben können, wenigstens bis morgen.“
Dasselbe Wissen um die große Leere, lässt sie selbst die Mosquitos lieben, wenn ihre Augen, ab und dann, zufällig auf ihren lichtgebeugten Mühsal und rührenden Aufwand fallen und diese wissen es, denn sie stechen heute nicht.
Trotz aller Zeichen, trotz unglaublicher Wunder, die den existenziellen Ängsten spotten, trotz ganzherziger Taten, wahrhaftig bis zum Wahnsinn, der Quantenmechanik deiner selbst, zwingt dich die Zeit doch dort zu enden, wo andere beginnen um zu enden, wo du beginnst. Ohne sich zu berühren, ohne Nutzen füreinander.
In meiner Apocalypse Now, sagt Brando in der Schlussszene nicht, „…das Grauen, das Grauen“, sondern „…Lügen, all die Lügen…“

Wolfgang Bernhard

Wolfgang Bernhard lebte als Fahnenflüchtiger15 Jahre in einer brasilianischen Favela. Zurück im österreichischen Leoben, arbeitet er zur Zeit, als erfolgreicher Kunstmaler.