Ja oder Nein? – Die Psychologiekolumne

eingetragen in: Gesundheit, N°26, Psychologie | 0

„Nur noch konkret reden. Gib mir ein ‚Ja‘ oder ‚Nein‘. Schluss mit Larifari, ich lass all die alten Faxen sein.“ Peter Fox

 

Weiß nicht. Mal sehen. Vielleicht. Eigentlich schon. Ich will ja, aber.. Hin und her gerissen sein – das Fachwort heißt Ambivalenz – ist ein weitverbreitetes Phänomen. Man kann sich nicht entscheiden und weiß scheinbar nicht wirklich, was man will. Soll ich meinem Chef die Meinung sagen? Ist es eine gute Idee mit dieser Freundin in den Urlaub zu fahren? Will ich mich beruflich nochmal umorientieren?

Das allerwichtigste in Bezug auf Ambivalenz besteht darin, sich diese überhaupt bewusst zu machen. Sich also zuzugestehen, dass „zwei Seelen in einer Brust schlagen“. Das klingt erst einmal simpel, allerdings ist es für die meisten Menschen sehr unangenehm Ambivalenz – also Unentschiedenheit oder Unsicherheit bezüglich einer Sache – auszuhalten. Und alles was eher unangenehm ist, tendiert der Mensch ins Unbewusste zu verschieben. Dort ist es zunächst einmal aus dem Blick, frei nach dem Motto „aus den Augen aus dem Sinn“. Dummerweise funktioniert dies natürlich nicht und die Ambivalenz treibt als innerer Konflikt im Unbewussten ihr Unwesen. Dies äußert sich dann darin, dass wir uns mehr oder weniger offensichtlich widersprüchlich verhalten. In Bezug auf die obigen Beispiele könnte dies so aussehen, dass man dem Chef vordergründig in allem zustimmt, dann aber doch den Absprachen zuwider handelt. Dass man der Freundin gegenüber immer wieder beteuert mit ihr verreisen zu wollen, aber einfach nicht dazu kommt etwas Konkretes zu planen. Oder dass man sich für eine Weiterbildung interessiert, dann aber das Anmeldedatum verpasst.

Wenn Sie in einem Lebensbereich – Beruf, Beziehung(en), Sport, Ernährung, etc. –  seit Längerem unzufrieden sind und auf der Stelle treten, obwohl Sie „eigentlich“ etwas ändern wollen, sollten Sie mal etwas genauer hinschauen. Versuchen Sie, den unterschiedlichen Kräften in Ihrem Inneren eine Stimme zu geben. Nicht nur dem bewussten Anteil dessen, was Sie „eigentlich“ wollen, sondern vor allem auch den Widerständen, die Sie davon abhalten. 

Psychologen nutzen die hilfreiche Technik,  die unterschiedlichen Anteile in Ihnen durch unterschiedliche Stühle zu repräsentieren, auf die Sie sich jeweils setzen können um für den jeweiligen Anteil zu sprechen. Das kann z. B. ein Pro- und ein Kontra-Anteil sein, ein Verstandes- und ein Gefühlsanteil oder auch mehrere Anteile, die durch unterschiedliche Personen vertreten sind. Hören Sie sich die Sorgen und Bedenken sowie die Argumente aller Anteile zunächst wertneutral an und lassen Sie alle unzensiert zu Wort kommen.

Nachdem Sie alle Stimmen angehört und gewürdigt haben, schauen Sie sich die einzelnen Argumente an und entscheiden Sie, welche wirklich überzeugend und entscheidungsrelevant sind. Viele der zu Tage geförderten „Argumente“ und Bedenken werden vor allem im Dunkel des Unbewussten ihre Wirkung entfalten, bei Licht betrachtet aber nicht sehr überzeugend sein. Typische „Argumente“, die einen von wichtigen Schritten abhalten sind z. B. „Ich habe Angst davor/schäme mich/habe ein schlechtes Gewissen xy zu tun“. Angst ist für sich genommen natürlich überhaupt kein gutes Argument etwas nicht zu tun, sofern nicht eine wirkliche Gefahr für Leib und Leben besteht. Sie ist „lediglich“ ein Gefühl, das einen bestimmten Schritt unangenehmer macht. Auch Scham und Schuldgefühl können als Argumente häufig schnell widerlegt werden, wenn man sich fragt, ob man findet, dass andere Menschen sich schämen oder schuldig fühlen sollten, wenn sie den betreffenden Schritt gehen.Wir können hier nicht alle möglichen nicht schlagkräftigen Argumente betrachten, aber es seien noch ein paar genannt, die häufig auftauchen: „Ich weiß nicht wie.“ Brauchen Sie auch nicht. Zu jedem Thema gibt es Hilfe. „So bin ich nicht.“ Ja, aber so können Sie werden. „Wer bin ich denn, dass ich das einfach mache?“ Sie sind der wichtigste Mensch in Ihrem Leben und Sie dürfen alles, was andere auch dürfen.

Wenn Sie alle Argumente angehört und abgewogen haben, fragen Sie sich, ob Sie noch zusätzliche Informationen benötigen. In den meisten Fällen, in denen Sie sich schon lange mit einem Thema herumschlagen, wird das nicht der Fall sein. Wenn keine weiteren wesentlichen Informationen einzuholen sind, treffen Sie eine Entscheidung für die Seite, zu der Sie tendieren. Manchmal ist diese Tendenz eindeutig, manchmal ist sie lediglich 80/20 oder 60/40. Entscheiden bedeutet, dass sie sich auch bei knappen Resultaten voll hinter die überwiegende Seite stellen und die andere Seite verwerfen.

Wenn Ihre Entscheidung – wie knapp auch immer – gefallen ist, ist es wesentlich, dass Sie sich nicht mehr widersprüchlich verhalten. Um eins der obigen Beispiele aufzugreifen: sagen Sie Ihrer Freundin, dass Sie nicht mit ihr in den Urlaub fahren wollen, dann brauchen Sie auch nichts zu planen ODER sagen Sie ‚Ja‘ und verhalten sich dann auch dementsprechend, indem Sie auch tatsächlich die notwendigen Vorbereitungen treffen. Nur wenn Sie für sich eine klare Entscheidung treffen, was Sie wollen, können Sie klar und direkt kommunizieren. Und wenn Sie klar und direkt kommunizieren, stehen die Chancen am besten, dass Sie bekommen was Sie wollen. Erleichtern Sie sich und Ihren Mitmenschen das Leben, indem Sie mit klarem ‚Ja‘ und klarem ‚Nein‘ Stellung beziehen. Trainieren Sie darüber hinaus als angepasster Ja-Sager eher das ‚Nein‘ und als überkritischer Nein-Sager vor allem das ‚Ja‘.

 

Dr. Alexander Noll leitet als Psychotherapeut eine Privatpraxis in Berlin und gibt Seminare und Workshops in ganz Deutschland. 

www.dr-alexander-noll.de